Die COVID-19-Pandemie hat die Lieferkettenindustrie gestört und ihre Schwachstellen offengelegt. Zusätzlicher Druck entstand durch neue Herausforderungen. Dazu zählen extreme Wetterereignisse, komplizierte geopolitische Lagen und die rasant voranschreitende Entwicklung der künstlichen Intelligenz.

Eine Umfrage von Ivanti zeigt den Zustand der Branche, wichtige Erkenntnisse von Insidern und zu beachtende Trends. Dabei wurden Erkenntnisse sowohl von Führungskräften als auch von Mitarbeitenden aus verschiedenen Bereichen der Supply Chain zusammengetragen.

Zu viel Arbeit; zu wenig Arbeitskräfte

Das pandemiebedingte Chaos löste eine hohe Nachfrage nach Arbeitskräften in der Lieferkette aus. Dies führte zu steigenden Löhnen und Einstellungsprämien. Da sich der Markt nun stabilisiert hat, haben die Unternehmen die massenhaften Einstellungen reduziert. Der Fokus liegt jetzt auf der Anwerbung und Bindung von ausgewählten, hochqualifizierten Fachkräften. Dieser langsamere Einstellungsprozess erhöht den Druck auf die Arbeitskräfte. Sie müssen die Produktivität steigern und ihre Leistung mit weniger Ressourcen aufrechterhalten.

Laut Untersuchungen von Ivanti setzen Unternehmen Anreize für ihre Mitarbeitenden, um KPI-Ziele zu übertreffen. Dazu gehören flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit, früher nach Hause gehen zu können (bei Bezahlung), wenn sie ihre Arbeit erledigt haben (59 %). Außerdem werden Bonuszahlungen und Prämien angeboten (54 %). Beschäftigte geben an, dass sie durch Anreize motiviert werden (88 %). Besonders motivierend sind für viele die Bonuszahlungen und Leistungsprämien (32 %).

Diese Anreize helfen, aber sie sind möglicherweise nicht ausreichend. Obwohl 90 % der Beschäftigten in der Lieferkette angeben, mit ihrer aktuellen Position zufrieden zu sein, erwägen mehr als ein Viertel der Beschäftigten (27 %) innerhalb der nächsten sechs Monate ihren Job zu kündigen.

Die Lösung existiert bereits

Diese Lösung ist natürlich Technologie. Insbesondere KI-gesteuerte Technologie. Richtig eingesetzt, kann die passende Technologie die Fähigkeiten erweitern und den Druck auf die Arbeitskräfte in der Lieferkette verringern. Dadurch können Outputs beibehalten oder sogar gesteigert werden. Allerdings gibt es weitverbreitete Vorbehalte gegenüber neuen Technologien, bedingt durch Unsicherheit und damit verbundene Herausforderungen.

Die Forschung von Ivanti unterstreicht einen entscheidenden Punkt: Es wird immer deutlicher, dass die Modernisierung der Lagerhäuser für den Betrieb und die Personalbeschaffung notwendig ist. Dies gilt besonders für die nächste Generation von Lagerarbeitenden.

Laut der Umfrage glauben 39 % der Manager, dass die Verfügbarkeit neuer Technologien und moderner Geräte erheblich die Anwerbung und Bindung von Beschäftigten beeinflusst. Die nächste Generation von Lagerarbeitenden ist mit Technologie aufgewachsen. Sie ist es gewohnt, sich auf Technik zu verlassen und erwartet häufig, dass Technologie sie bei der Arbeit unterstützt. Diese Erwartung scheint berechtigt: Fast alle (94 %) Beschäftigten in der Lieferkette, die Technologien wie Automatisierung, AMR und KI nutzen, glauben, dass diese ihre Produktivität und Effizienz steigern.

Der Arbeitskräftemangel und der damit verbundene Druck zählen zu den drei größten Herausforderungen, die 31 % der Beschäftigten angeben. Doch nur 18 % der Beschäftigten in der Lieferkette glauben, dass die Anwerbung und Bindung von Arbeitskräften der effektivste Weg ist, um die Lagerlogistik zu verbessern. Im Vergleich dazu denkt fast das Doppelte (35 %), dass robotische Automatisierung eine gute Lösung für den Arbeitskräftemangel im Lagerhaus ist.

Es wird deutlich: Die Angst vor Arbeitsplatzverlust ist berechtigt, doch Beschäftigte möchten in einem modernen Lagerhaus mit Robotern zusammenarbeiten. KI-gestützte Lösungen bieten Beschäftigten Flexibilität, Unabhängigkeit und berufliche Weiterentwicklung. Für Arbeitgeber bieten diese Lösungen optimierte Betriebseffizienz, gesteigerte Produktivität, reduzierte Kosten, Zeitersparnis und höhere Mitarbeiterzufriedenheit.

Cybersicherheit und KI im Lagerhaus

Insgesamt hat sich die Lieferkettenbranche nur langsam an Veränderungen angepasst – nicht wegen mangelnder Bemühungen der Beschäftigten und Manager. Es handelt sich um ein Infrastrukturproblem, nicht um ein Problem mit Talent oder Ehrgeiz. Ohne Anpassung wird die Branche nicht die nötige Resilienz entwickeln, um Bedrohungen durch die sich ständig wandelnde Cybersicherheitslandschaft zu bewältigen.

Die zunehmende Zahl an IoT- und internetfähigen Geräten in modernen Lagerhäusern hat die Anfälligkeit für komplexe Cyberangriffe erhöht. Laut den Managern der Lieferkette ist Cybersicherheit in 58 % der Lagerhäuser eine Hauptsorge (nur 13 % sehen dies nicht als Problem an). Doch bei der Budgetverteilung haben die Manager andere Prioritäten:

  • Beschaffung – 41 %
  • Produktivität der Arbeitskräfte – 40 %
  • Automatisierungstechnologien – 39 %
  • Reduzierung der Betriebskosten – 39 %

Diese Bereiche verdienen Aufmerksamkeit, doch sie dürfen nicht auf Kosten der Cybersicherheit gehen. Cybersicherheit ist eine zentrale Komponente für alle diese Kategorien. Im Falle eines bedeutenden Angriffs würden sie sonst nicht mehr ordnungsgemäß funktionieren.

Obwohl nur 9 % der Lagerhäuser in den letzten 24 Monaten von Cyberangriffen betroffen waren, darf man sich nicht in falscher Sicherheit wiegen. Diese Zahl wird mit der Modernisierung der Lagerhäuser und der Zunahme von IoT-Geräten voraussichtlich steigen. Soziale Manipulation (32 %) und Software-Schwachstellen (32 %) sind die meistgenutzten Eintrittspunkte bei Cyberangriffen auf Lagerhäuser.

Schulungen und Endpoint-Management

Mit der Weiterentwicklung der sozialen Manipulation ist ein Anstieg unbeabsichtigter menschlicher Fehler unvermeidlich. Ein alarmierendes Beispiel: 54 % der Büroangestellten wissen nicht, dass fortschrittliche KI jede Stimme imitieren kann. Diese Wissenslücke schafft einen klaren Weg für Angreifer.

Obwohl Schulungen und Aufklärung seit Jahren die erste Verteidigungslinie sind, kann das Training nicht mit dem rasanten Fortschritt der KI Schritt halten. Manager in der Lieferkette müssen proaktiv gegen Bedrohungen vorgehen, um Resilienz zu gewährleisten.

Die Umfrage zeigt, dass 59 % der Beschäftigten eine Schulung zur Cybersicherheit erhalten haben. Davon fühlen sich 86 % verantwortlich, das Lagerhaus vor Cyberangriffen zu schützen. 90 % achten proaktiv auf Cyberhygiene im Lager, um Cyberangriffe zu verhindern. Dies ist beruhigend, aber Lager- und Lieferkettenmanager müssen einen mehrschichtigen Ansatz gegen Cyberangriffe nutzen, um mit KI-gestützten Bedrohungen Schritt zu halten. Zudem zeigt diese Statistik, dass 41 % der Beschäftigten keine Schulung zur Cybersicherheit erhalten haben.

Schulungslücken verdeutlichen die Notwendigkeit von Unified-Endpoint-Management-Lösungen (UEM), die helfen können, menschliche Fehler zu vermeiden. Unabhängig vom Betriebssystem oder Standort ermöglicht UEM, jedes Gerät im Lagerhaus über eine einfache Oberfläche zu entdecken, zu verwalten, zu konfigurieren und zu sichern.

Technologie und Automatisierung annehmen

Beschäftigte und Manager nennen zwei Hauptaspekte, die den Prozess der Lagerlogistik und -abwicklung verbessern könnten: 1) intuitive Technologien, die die Produktivität steigern und Fehler sowie Schulungszeiten reduzieren, und 2) mehr Transparenz und Kontrolle über Arbeitsabläufe (z. B. Automatisierungsprodukte wie AMRs, Sortierung usw.).

Beschäftigte:

  • Mehr Transparenz und Kontrolle über Arbeitsabläufe (z. B. Automatisierungsprodukte wie AMR, Sortierung usw.) (27 %).
  • Intuitive Technologien, die die Produktivität steigern und Fehler sowie Schulungszeiten reduzieren (22 %).

Manager:

  • Intuitive Technologien, die die Produktivität steigern und Fehler sowie Schulungszeiten reduzieren (27 %).
  • Mehr Transparenz und Kontrolle über Arbeitsabläufe (Automatisierungsprodukte wie AMR, Sortierung usw.) (25 %).

In Anbetracht dessen planen die meisten Manager (89 %), im nächsten Jahr in neue Technologien für Lager- oder Lieferketten zu investieren. Preis und einfache Implementierung gelten als die wichtigsten Kriterien bei der Bewertung neuer Technologien. 56 % der Manager halten beide Aspekte für sehr wichtig, gefolgt von der Sicherheitsposition der Lösung (55 %).

Diese neuen Technologieinvestitionen schließen möglicherweise keine Automatisierung ein, da diese nur von 39 % der Manager als Budgetpriorität genannt wurde. 63 % der Manager geben an, bereits Automatisierung in ihren Logistik- und Lagerabläufen integriert zu haben, während 20 % dies in den nächsten 24 Monaten planen.

Verpacken (56 %) und Kommissionieren (53 %) sind die am häufigsten automatisierten Prozesse im Lager. Dies ist bedeutsam, da Automatisierung den Beschäftigten ermöglicht, sich auf höherwertige Aufgaben in den Arbeitsabläufen zu konzentrieren und komplexere Aufgaben zu übernehmen. So kann die allgemeine Produktivität im Lagerhaus verbessert und Fehler sowie Schulungszeiten reduziert werden.

Fazit

Die Engpässe in der Lieferkette zu Beginn dieses Jahrzehnts haben zweifellos die Aufmerksamkeit und den Druck auf die Beschäftigten und Führungskräfte der Branche erhöht. Investitionen in Technologien, die den Beschäftigten helfen, ihr Einkommen zu maximieren, werden dazu beitragen, die besten Fachkräfte anzuziehen und zu binden und so Produktivitätsgewinne zu erzielen. Doch die Einführung dieser Technologien ist für viele Lagerleiter nicht einfach, da potenzielle Risiken schwer wiegen. Während Automatisierung letztlich klare Vorteile bietet, müssen mehrere Hürden überwunden werden, um sicherzustellen, dass Technologieinvestitionen betriebsfähig und widerstandsfähig gegenüber Bedrohungen durch Angreifer, Umweltbedenken, Widerstand von Beschäftigten und geopolitischen Unsicherheiten sind.

Methodik

Ivanti führte 2024 eine Umfrage unter 800 Fachleuten aus der Lieferkette in mehreren Ländern durch, darunter die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Die Teilnehmer mussten in einer Lieferkette, in der Fertigung und/oder in einem Lagerhaus arbeiten.

Die Umfrage umfasst die Antworten von:

  • 400 Beschäftigten in der Lieferkette
    • 100 pro Land in den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland
  • 400 Managern in der Lieferkette
    • 100 pro Land in den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland

Profil der Beschäftigten

  • Der Großteil der Beschäftigten, die an der Studie teilgenommen haben, arbeiten in einem Lagerhaus (65 %) oder einer Fertigungsstätte (17 %).
  • Die häufigsten Rollen waren Lagerarbeitenden (40 %), Mitarbeitenden im Versand und Empfang (19 %), Materialbereitsteller (13 %), Beschaffungsspezialist (11 %) oder Lagerbelader (10 %).
  • 77 % der Beschäftigten sind seit mehr als fünf Jahren in ihrer aktuellen Rolle tätig, 19 % davon sogar seit mehr als 15 Jahren.

Profil des Managements

  • Der Großteil der Manager, die an der Studie teilnahmen, arbeiten in einem Lagerhaus (67 %) oder einem Distributionszentrum (23 %).
  • Die häufigsten Positionen waren Manager für Lieferketten, Lagerhaus oder Distributionszentrum (50 %), Direktor der Lieferkette (15 %), Chief Supply Chain Officer (14 %) und Manager für Logistik, Betrieb, Beschaffung oder Infrastruktur (13 %).
  • 96 % der Manager sind seit mehr als fünf Jahren in ihrer aktuellen Rolle tätig, wobei 39 % mehr als 15 Jahre Erfahrung aufweisen.