ITIL V3: Einführung in den IT-Service-Lebenszyklus
Bis zum Jahr 2007 hatte das OGC seinen Ansatz für ITSM weiter verfeinert und war bereit, eine noch umfassendere und besser organisierte Aktualisierung von ITIL V2 zu veröffentlichen. ITIL V3 wurde 2007 in Form von fünf Publikationen veröffentlicht, die jeweils einer bestimmten Phase des IT-Service-Lebenszyklus gewidmet sind. Die fünf Bücher trugen die Titel:
- ITIL Service Strategy
- ITIL Service Design
- ITIL Service Transition
- ITIL Service Operation
- ITIL Continual Service Improvement
Die fünf Bücher von ITIL V3 (die nach der Überarbeitung von ITIL 2011 unter dem Namen ITIL 2007 bekannt wurden) beschreiben zusammen eine umfassende Reihe von Prozessen und Funktionen, die die verschiedenen Aspekte der IT-Servicebereitstellung unterstützen. ITIL V3 deckt alle essenziellen Schritte des IT-Servicemanagements ab, von der strategischen Priorisierung der Bereitstellung von IT-Services, die die Geschäftsanforderungen erfüllen, bis hin zum Management des kontinuierlichen Serviceverbesserungsprozesses. Im Folgenden gehen wir auf die fünf Kernpublikationen von ITIL V3 ein und beschreiben die Ziele jeder Phase des Service-Lebenszyklus und die Prozesse, die diese ITIL-Ziele unterstützen.
Service Strategy
Service Strategy ist das erste Buch in ITIL V3 und entspricht der ersten Phase im IT Service Lifecycle. Der Zweck der Servicestrategie ist es, die Maßnahmen der IT-Organisation auf die Bedürfnisse des Unternehmens abzustimmen. Dazu muss sich die IT-Organisation für eine Strategie entscheiden, mit der sie ihren Kunden effektiv dienen kann. Im Rahmen der Servicestrategie arbeitet die IT-Organisation mit dem Unternehmen zusammen, um zu bestimmen, welche Dienstleistungen die IT-Organisation anbieten soll und welche Fähigkeiten entwickelt werden müssen.
Es gibt fünf Prozesse, die im Band Service Strategy von ITIL V3 beschrieben werden:
- Strategiemanagement für IT-Dienstleistungen – ein Prozess, der der IT-Organisation hilft, ihre Angebote und Fähigkeiten zu bewerten, bevor sie eine Strategie entwickelt, um ihre Kunden effektiv zu bedienen.
- Service Portfolio Management – ein Prozess zur Verwaltung des Serviceportfolios, das Dienste in der Entwicklung, aktive und verfügbare Dienste sowie eingestellte Dienste umfasst.
- Finanzmanagement für IT-Dienstleistungen – ein Prozess, der der IT-Organisation hilft, ihre Anforderungen an Budgetierung, Abrechnung und Buchhaltung zu verwalten.
- Nachfragemanagement – ein Prozess zur Bewertung der Kundennachfrage nach Dienstleistungen. Ein Demand Manager – oder Nachfragemananger – verfolgt Branchentrends und kommuniziert mit den Kunden, um vorauszusehen, welche Leistungen das Unternehmen in Zukunft nachfragen könnte.
- Business Relationship Management – ein Prozess, der die IT-Organisation dabei unterstützt, gute Beziehungen zum Unternehmen zu pflegen, indem sie kommuniziert, um Geschäftsbedürfnisse zu ermitteln und Feedback zur IT-Leistung und Kundenzufriedenheit zu sammeln.
Service Design
Wenn die IT-Organisation beschlossen hat, einen neuen Service zu entwickeln, ist der nächste Schritt das Service Design. In der Phase des Service Designs geht es darum, neue IT-Dienste zu entwickeln und bestehende IT-Dienste zu verändern oder zu verbessern, um ihren Wert für das Unternehmen zu erhöhen.
Es gibt elf Prozesse, die im Band Service Design von ITIL V3 beschrieben werden:
- Design-Koordination – ein Prozess zur Koordination von Service-Design-Aktivitäten in Bezug auf geänderte oder neu implementierte IT-Services.
- Service-Katalog-Management – ein Prozess zur Erstellung und Pflege eines Katalogs aller verfügbaren Dienste, die von der IT-Organisation angeboten werden.
- Service Level Management – ein Prozess zur Aushandlung von Service Level Agreements mit den Kunden, der sicherstellt, dass die Dienste angemessen gestaltet sind, um die Leistungen gemäß den Vereinbarungen zu erbringen, und der sicherstellt, dass die betrieblichen Vereinbarungen und Verträge effektiv ausgehandelt und verwaltet werden.
- Risikomanagement – ein Prozess zur Identifizierung und Kontrolle von Risiken innerhalb der IT-Organisation. Das Risikomanagement umfasst eine Bewertung der IT-Assets mit ihrem Wert und ihrer potenziellen Sicherheitslücke als Angriffsvektor. Der Risikomanagementprozess hilft IT-Managern dabei, festzulegen, wie IT-Assets geschützt und gesichert werden sollen.
- Kapazitätsmanagement – ein Prozess, der sicherstellt, dass die IT-Organisation genügend Ressourcen für die Bereitstellung von IT-Diensten gemäß den Service Level Agreements bereitgestellt hat.
- Verfügbarkeitsmanagement – ähnlich wie das Kapazitätsmanagement umfasst dieser Prozess Aktivitäten und Unterprozesse, die dazu beitragen, die Verfügbarkeit von IT-Diensten zu definieren, zu messen und zu verbessern. Das Verfügbarkeitsmanagement umfasst Test-, Überwachungs- und Berichtsaktivitäten, die die Verfügbarkeit von Diensten überprüfen und IT-Betreiber warnen, wenn ein Dienst ungeplant ausfällt.
- IT Service Continuity Management – ein Prozess zur Minimierung von Service-Ausfallzeiten und zur Verringerung der Auswirkungen von Katastrophenereignissen auf die Verfügbarkeit von IT-Diensten.
- Informationssicherheitsmanagement – ein Prozess zur Aufrechterhaltung der Sicherheit von Daten im Besitz des Unternehmens, einschließlich sensibler Kundendaten, Zahlungsdaten und geschützter Geschäftsinformationen.
- Compliance-Management – ein Prozess, mit dem sichergestellt und überprüft wird, dass die IT-Organisation interne und externe Unternehmensrichtlinien, Softwarelizenzvereinbarungen, branchenspezifische Datenschutz- und Datensicherheitsstandards, Vorschriften und alle angenommenen Standards oder Best Practice Frameworks effektiv einhält.
- Architekturmanagement – ein Prozess zur Planung der zukünftigen Entwicklung von Informationstechnologien und wie sie sich in den bestehenden Technologie-Stack einfügen werden.
- Lieferantenmanagement – ein Prozess zum Aufbau und zur Pflege von Lieferanten- oder Zuliefererbeziehungen, die den wechselnden Anforderungen des Unternehmens entsprechen.
Service Transition
Eine entworfene Dienstleistung tritt in die Phase der Service Transition ein, in der sie aufgebaut und in der IT-Infrastruktur des Unternehmens eingesetzt wird. Der Zweck von Service Transition ist es, die Produktion und den Einsatz neuer IT-Dienste zu kontrollieren und gleichzeitig sicherzustellen, dass Änderungen an bestehenden Diensten effektiv koordiniert werden, um Geschäftsunterbrechungen zu vermeiden.
Es gibt acht Prozesse, die im Band Service Transition von ITIL V3 beschrieben werden:
- Change Management – der Prozess des Change Management kontrolliert Änderungen während ihres gesamten Lebenszyklus und stellt sicher, dass IT-Organisationen Änderungen umsetzen können, ohne essenzielle Dienste zu unterbrechen.
- Änderungsevaluierung – Der Prozess der Änderungsevaluierung (Change Evaluation) dient dazu, die Auswirkungen und den Erfolg größerer Änderungen an wichtigen Punkten im Lebenszyklus von IT-Diensten zu bewerten: vor der Planung, vor der Erstellung, vor der Einführung und nach der Einführung.
- Projektmanagement (Übergangsplanung und -unterstützung) – ein Prozess zur effektiven Koordinierung neuer Service-Releases in einer Weise, die Kosten-, Zeit- und Qualitätsziele erreicht.
- Anwendungsentwicklung – ein Prozess zur Erstellung neuer Anwendungen, die den Anforderungen des Unternehmens entsprechen. Die IT-Organisation kann ihre eigenen Anwendungen entwickeln und pflegen oder eine Anwendung anpassen, die von einem Softwareanbieter gekauft oder lizenziert wurde.
- Release & Deployment Management – ein Prozess zur Planung und Terminierung des Testens und der Freigabe neuer Implementierungen in einer Weise, die die Live-Umgebung schützt und die Unterbrechung der Dienste minimiert.
- Service-Validierung und -Test - dieser Prozess überprüft, ob neue Services die Geschäftsanforderungen erfüllen, für die sie entwickelt wurden, und ob die IT-Betriebsteams über die erforderlichen Werkzeuge und Informationen verfügen, um den neu veröffentlichten oder geänderten Service zu unterstützen.
- Service Asset and Configuration Management – ein Prozess zur Pflege einer Konfigurationsmanagement-Datenbank (Configuration Management Database – CMDB), die Informationen über die Attribute und Abhängigkeiten von Konfigurationselementen (Configuration Items – CIs) enthält, die für die Erbringung von IT-Diensten benötigt werden.
- Wissensmanagement – ein Prozess, dessen Ziel es ist, dass die IT-Organisation Informationen nicht immer wieder neu entdecken muss. ITIL Wissensmanagement unterstützt das Sammeln, Analysieren, Speichern und Bereitstellen von Wissen innerhalb einer Organisation.
Service Operation
Der Servicebetrieb (Service Operation) ist die vierte Stufe im IT-Service-Lebenszyklus. Ihr Ziel ist es, sicherzustellen, dass die operativen IT-Dienste effektiv und effizient für die Kunden erbracht werden. Diese Stufe ist einzigartig, da sie sowohl Prozesse als auch Funktionen enthält. Eine Funktion führt eine spezielle Aufgabe oder eine Reihe von Aufgaben aus, während ein Prozess eine Sammlung von Teilprozessen ist, die in einer bestimmten Reihenfolge ausgeführt werden können, um ein gewünschtes Ziel zu erreichen.
Es gibt sechs Prozesse und vier Funktionen, die im Band Service Operation von ITIL V3 beschrieben werden.
Die sechs Prozesse sind:
- Ereignisverwaltung – Die Ereignisverwaltung (Event Management) befasst sich mit der Überwachung der verfügbaren Dienste und Konfigurationselemente, um Ereignisprotokolle zu erfassen, Ereignisse zu analysieren und festzustellen, ob ein Ereignis eine Aktion erfordert.
- Vorfallmanagement – (Incident Management) ein Prozess zur Verwaltung des Lebenszyklus aller IT-Vorfälle von der Meldung bis zur Lösung.
- Request Fulfillment – Die Erfüllung von Anfragen ist ein Prozess, der es Benutzern oder Kunden ermöglicht, bei der IT-Organisation Anfragen für bestimmte Dienste einzureichen, die dann von der IT-Organisation erfüllt werden.
- Zugriffsverwaltung - Die Zugriffsverwaltung (Access Management) befasst sich mit der Kontrolle der Benutzerautorisierung für bestimmte Systeme und Anwendungen. Sie stellt sicher, dass nur autorisierte Benutzer Zugriff auf eingeschränkte Systeme erhalten und hilft, die Sicherheit der IT-Infrastruktur zu gewährleisten.
- Problemmanagement – ein Problem kann als die Ursache eines Vorfalls beschrieben werden, der wiederholt in einer Organisation beobachtet wird. Dieser Prozess verwaltet den Lebenszyklus von Problemen und trägt dazu bei, die Auswirkungen von Vorfällen zu minimieren, die nicht verhindert werden können (bekannte Probleme, die noch nicht behoben wurden).
- Facilities Management – eine Reihe von Best Practices für die Verwaltung des physischen Standorts, an dem sich die IT-Infrastruktur (Rechenzentren, Server, andere IT Assets) befindet.
Die vier Funktionen sind:
- IT Service Desk – der IT Service Desk fungiert als zentrale Anlaufstelle für den Kontakt zwischen dem Unternehmen und der IT-Organisation. Hier können Benutzer über das Ticket-Protokollierungssystem des Unternehmens Vorfälle melden oder Serviceanfragen stellen. Die IT-Organisationen verfolgen die Service-Desk-Kennzahlen genau, um schnelle Lösungen zu finden und Serviceunterbrechungen für das Unternehmen zu vermeiden.
- Technisches Management – diese Funktion stellt technisches Fachwissen zur Verfügung, das die effektive Verwaltung der IT-Infrastruktur unterstützt. Eine IT-Organisation kann einen oder mehrere technische Analysten für jeden wichtigen Technologiebereich innerhalb der Organisation beschäftigen. Technische Analysten sind an vielen ITIL-Prozessen beteiligt, die das Design, die Erstellung, das Testen und den Einsatz von Anwendungen und IT-Services umfassen.
- Anwendungsmanagement – diese Funktion umfasst Aktivitäten wie Anwendungsdesign, Testen und Betrieb, deren Ziel es ist, Anwendungen während ihres gesamten Lebenszyklus zu verwalten. Eine IT-Organisation kann einen einzelnen Anwendungsanalysten oder ein Team von Anwendungsanalysten für jede kritische Anwendung beschäftigen, die sie verwaltet. Analysten führen die täglichen Aktivitäten zur Verwaltung der Anwendung durch und entwickeln gleichzeitig die Fähigkeiten, die für die Bereitstellung von IT-Diensten unter Verwendung der Anwendung erforderlich sind.
- IT-Betriebsmanagement – Das IT-Betriebsmanagement (IT Operations Management) befasst sich mit der Planung und Beaufsichtigung wichtiger betrieblicher Aktivitäten innerhalb der IT-Abteilung, einschließlich Workloads, Systemwiederherstellung und Backups sowie anderer routinemäßiger Wartungsaufgaben. Die täglichen Aufgaben des IT-Betriebs werden von einem IT-Betriebsleitenden und einem Team von IT-Mitarbeitenden ausgeführt.
Continual Service Improvement (CSI)
Die kontinuierliche Serviceverbesserung (Continual Service Improvement – CSI) ist die letzte Stufe des Service-Lebenszyklus. Sobald ein Service in Betrieb ist, kann er in regelmäßigen Abständen überprüft werden, um festzustellen, ob es Möglichkeiten zur Verbesserung dieses Dienstes gibt. Ein CSI-Manager oder eine CSI-Managerin kann für die Empfehlung und Überwachung von Prozessänderungen verantwortlich sein, um deren Auswirkungen auf die betriebliche Effizienz und die Kosten zu überprüfen.
Es gibt vier Prozesse, die im Band Continual Service Improvement von ITIL V3 beschrieben sind:
- Service Review – Geschäfts- und Infrastrukturdienste werden regelmäßig überprüft, um sicherzustellen, dass sie den Kunden effizient zur Verfügung gestellt werden.
- Prozessevaluierung – während sich der Prozess der Dienstleistungsüberprüfung auf die Dienstleistungen selbst konzentriert, besteht das Ziel der Prozessevaluierung darin, die Effektivität anderer Geschäftsprozesse zu messen, ihre Effizienz zu messen und festzustellen, ob Änderungen erforderlich sind. Die Prozessevaluierung umfasst die Verwendung von Metriken, Audits, Reifegradbewertungen und Benchmarks zur Bewertung der Prozessleistung.
- Definition von CSI-Initiativen – ein Prozess, bei dem der Change Manager spezifische Möglichkeiten zur Veränderung und Verbesserung von Prozessen oder Dienstleistungen identifiziert.
- Monitoring von CSI-Initiativen – ein Prozess zur Überwachung der Wirksamkeit neu eingeführter Änderungen an Dienstleistungen oder Prozessen und zur Messung ihrer Auswirkungen.
Axelos übernimmt 2013 die Verantwortung für ITIL
In den Jahren 2013 und 2014 übernahm ein Unternehmen namens AXELOS die Verantwortung für das ITIL-Framework. AXELOS wurde als Joint Venture zwischen dem professionellen Dienstleistungsunternehmen Capita PLC und der Regierung des Vereinigten Königreichs gegründet. Ab 2013 übernahm AXELOS die Führung bei der Aktualisierung und Verfeinerung des ITIL-Frameworks und beaufsichtigte die Akkreditierung von ITIL-Zertifizierungs- und Schulungseinrichtungen auf der ganzen Welt.